Schon als Fohlen hat Merida schnell gelernt und meistens recht schnell eingelenkt und nachgegeben, aber sie blieb dabei oft auch etwas spannig. Wir haben schon in dieser allerersten Phase geübt, dass Überreaktionen nicht zum Ziel führen. Wir haben die kleine Maus mit Absicht nicht zu fein und nicht zu sensibel behandelt, damit sie sich an einen ganz normalen Umgang gewöhnen kann. In der ersten Etappe, die kurz nach ihrer Geburt begann, hat sie Halftern, Führen, Putzen, Hufe auskratzen und Anbinden gelernt, etwas später haben hat sie ihre Mama beim Abziehen unseres kleinen Reitplatzes begleitet, ungefähr 5 Mal lief sie an der Kutsche mit und 3 mal war sie als Handpferd auf dem Reitplatz und auf der Wiese dabei, zwei Mal sind wir in Begleitung eines erwachsenen Pferdes an der Hand spazieren gegangen.
In der zweiten Etappe die im vergangenen Winter begann, habe ich vor allem immer mal wieder ausprobiert wie Merida auf verschiedene Reize reagiert und meine Schlüsse daraus gezogen. Unser Hof ist etwas zu ruhig um die Fohlen im Alltag an alles zu gewöhnen. Wir haben keinen Publikumsverkehr und wenig landwirtschaftliche Arbeiten zu erledigen. Daher müssen wir dem Desensibilisieren viel Raum einräumen. Dies ist einer der Gründe warum ich mit Merida schon so früh mit den Vorbereitungen für das Einfahren begonnen habe. Ich möchte ganz viel Zeit für die Gewöhnung an Material und Umwelt und ebenso viel Zeit für Pausen haben, damit Merida das Gelernte in Ruhe verarbeiten kann. Es geht mir in keiner Weise um körperliche Leistungen, also um Training im eigentlichen Sinne. Im Mittelpunkt steht die Zeit für entspanntes Lernen, viele verschiedene Eindrücke, die bestenfalls zu guten Erfahrungen werden. Da die Pferde unser Hobby sind, können wir es uns leisten das so anzugehen.
Die dritte Etappe hat im Frühling begonnen. Ich habe eindeutige Kommandos beim Führen etabliert, Warten geübt und angefangen mit einer Plane zu arbeiten. Das hat mir geholfen Schwachstellen in der Kommunikation und meiner Führung zu finden und aufgezeigt wo wir präzise üben müssen. Ich konnte so analysieren wo Merida viel Führung braucht und wie ich sie am besten desensibilisieren und entspannen kann.
Mir ist es in den ersten Jahren sehr wichtig ein Pferd für das Leben in der heutigen Welt vorzubereiten. Merida soll im Alltag ein zuverlässiger Partner werden, sie soll mitdenken dürfen, denn ich möchte mich in kritischen Situationen (z.B. Staßenverkehr) lieber auf ein Pferd berufen, dass sich vergewissert, was genau gemeint war, als eines welches zu schnell reagiert. Merida darf also jederzeit nachfragen, was mit einer Hilfe oder einem Kommando gemeint war. Solange sie noch Fragen hat, ist der Lerninhalt noch nicht ganz verstanden und zeigt mir, dass wir mehr Wiederholungen oder andere Lernschritte benötigen. Mir ist wichtig eine gute Durchlässigkeit zu erreichen, ohne dass Merida die Hilfen zu reaktiv beantwortet, also zu sensibel wird, zu schnell reagiert oder sogar Überreaktionen zeigt. Selbstverständlich soll sie auch nicht zäh oder triebig sein. Bei unseren Freibergern ist eine gute Portion Sensibilität und Go vorhanden, die ganz leicht zu aktivieren ist. Beim Einfahren, Anreiten, den ersten Erfahrungen im Straßenverkehr, den ersten auswärtigen Trainings usw. setzte ich da lieber erst einmal auf Ruhe und Entspannung. Die Balance zwischen diesen Polen ist unser Ziel. Es geht mir hier also um mentales Training, darum Merida beizubringen, dass es sich lohnt im Team zusammenzuarbeiten. Da uns diese Phase so unglaublich wichtig ist, räumen wir ihr auch mindestens 2 Jahre, also bis zu Beginn des 5. Lebensjahres ein. Alles andere kommt später.
Nach einer längeren Pause haben Merida und ich im Juli mit der vierten Phase der Ausbildung begonnen. Merida sollte weitere Ausrüstungsgegenstände wie Doppellonge, Longiergurt, Kammdeckel, Fahrpeitsche usw. kennen lernen. Ziel war es auch, dass wir die verschiedenen bisher gelernten Führpositionen vertiefen und um eine weitere ergänzen. Um die Führposition hinter dem Pferd kennen zu lernen, welche fürs Fahren vom Boden benötigt wird sollte Merida genügend Zeit zur Verfügung haben um vertrauensvoll voran zu gehen zu können, sich von dort treiben zu lassen ohne in den Fluchtmodus zu schalten und sich ebenfalls anhalten zu lassen und in Ruhe auf alles weitere zu warten.
Merida hat mich in dieser Etappe sehr überrascht, wir sind deutlich schneller als gedacht voran gekommen. Das Prinzip wurde verstanden, modifiziert wird später. Seit wir unsere Kommunikation bei der Arbeit mit der Plane neu erarbeitet haben, sind wir offenbar auf der selben Wellenlänge. Die Arbeit macht uns beiden großen Spaß, so dass das Ziel, die gemeinsame Zeit und gemeinsame Erlebnisse zu genießen gerade ziemlich schnell zur Realität geworden ist. Jetzt fällt es schwer eine verdiente Pause einzuräumen und Merida erst einmal verdauen zu lassen. Aber die Arbeit mit den Pferden ist ja auch Arbeit an sich selber. Während Merida also Ferien macht, muss ich hart arbeiten und meine „Lieblingslektion“ namens Geduld üben.